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das Werkzeug sein? Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich jemanden auf
diese Weise hintergehe: denn ich habe immer geglaubt, dass es uns zu weit fuehren
koenne, wenn wir einmal um des Guten und Nuetzlichen willen zu betriegen anfangen."
"Koennen wir doch Kinder nicht anders erziehen als auf diese Weise", versetzte Jarno.
"Bei Kindern moechte es noch hingehen", sagte Wilhelm, "indem wir sie so zaertlich
lieben und offenbar uebersehen; aber bei unsersgleichen, fuer die uns nicht immer das
Herz so laut um Schonung anruft, moechte es oft gefaehrlich werden. Doch glauben Sie
nicht", fuhr er nach einem kurzen Nachdenken fort, "dass ich deswegen diesen Auftrag
ablehne. Bei der Ehrfurcht, die mir Ihr Verstand einfloesst, bei der Neigung, die ich fuer
Ihren trefflichen Freund fuehle, bei dem lebhaften Wunsch, seine Genesung, durch
welche Mittel sie auch moeglich sei, zu befoerdern, mag ich mich gerne selbst
vergessen. Es ist nicht genug, dass man sein Leben fuer einen Freund wagen koenne,
man muss auch im Notfall seine ueberzeugung fuer ihn verleugnen. Unsere liebste
Leidenschaft, unsere besten Wuensche sind wir fuer ihn aufzuopfern schuldig. Ich
uebernehme den Auftrag, ob ich gleich schon die Qual voraussehe, die ich von Lydiens
Traenen, von ihrer Verzweiflung werde zu erdulden haben."
"Dagegen erwartet Sie auch keine geringe Belohnung", versetzte Jarno, "indem Sie
Fraeulein Theresen kennenlernen, ein Frauenzimmer, wie es ihrer wenige gibt; sie
beschaemt hundert Maenner, und ich moechte sie eine wahre Amazone nennen, wenn
andere nur als artige Hermaphroditen in dieser zweideutigen Kleidung herumgehen."
Wilhelm war betroffen, er hoffte in Theresen seine Amazone wiederzufinden, um so
mehr, als Jarno, von dem er einige Auskunft verlangte, kurz abbrach und sich entfernte.
Die neue, nahe Hoffnung, jene verehrte und geliebte Gestalt wiederzusehen, brachte in
ihm die sonderbarsten Bewegungen hervor. Er hielt nunmehr den Auftrag, der ihm
gegeben worden war, fuer ein Werk einer ausdruecklichen Schickung, und der
Gedanke, dass er ein armes Maedchen von dem Gegenstande ihrer aufrichtigsten und
heftigsten Liebe hinterlistig zu entfernen im Begriff war, erschien ihm nur im
Voruebergehen, wie der Schatten eines Vogels ueber die erleuchtete Erde wegfliegt.
Der Wagen stand vor der Tuere, Lydie zauderte einen Augenblick hineinzusteigen.
"Gruesst Euren Herrn nochmals", sagte sie zu dem alten Bedienten, "vor Abend bin ich
wieder zurueck." Traenen standen ihr im Auge, als sie im Fortfahren sich nochmals
umwendete. Sie kehrte sich darauf zu Wilhelmen, nahm sich zusammen und sagte: "Sie
werden an Fraeulein Theresen eine sehr interessante Person finden. Mich wundert, wie
sie in diese Gegend kommt: denn Sie werden wohl wissen, dass sie und der Baron sich
heftig liebten. Ungeachtet der Entfernung war Lothario oft bei ihr; ich war damals um
sie, es schien, als ob sie nur fuereinander leben wuerden. Auf einmal aber zerschlug
sich's, ohne dass ein Mensch begreifen konnte, warum. Er hatte mich kennenlernen,
und ich leugne nicht, dass ich Theresen herzlich beneidete, dass ich meine Neigung zu
ihm kaum verbarg und dass ich ihn nicht zurueckstiess, als er auf einmal mich statt
Theresen zu waehlen schien. Sie betrug sich gegen mich, wie ich es nicht besser
wuenschen konnte, ob es gleich beinahe scheinen musste, als haette ich ihr einen so
werten Liebhaber geraubt. Aber auch wieviel tausend Traenen und Schmerzen hat mich
diese Liebe schon gekostet! Erst sahen wir uns nur zuweilen am dritten Orte verstohlen,
aber lange konnte ich das Leben nicht ertragen; nur in seiner Gegenwart war ich
gluecklich, ganz gluecklich! Fern von ihm hatte ich kein trocknes Auge, keinen ruhigen
Pulsschlag. Einst verzog er mehrere Tage, ich war in Verzweiflung, machte mich auf
den Weg und ueberraschte ihn hier. Er nahm mich liebevoll auf, und waere nicht dieser
unglueckselige Handel dazwischengekommen, so haette ich ein himmlisches Leben
gefuehrt; und was ich ausgestanden habe, seitdem er in Gefahr ist, seitdem er leidet,
sag ich nicht, und noch in diesem Augenblicke mache ich mir lebhafte Vorwuerfe, dass
ich mich nur einen Tag von ihm habe entfernen koennen."
Wilhelm wollte sich eben naeher nach Theresen erkundigen, als sie bei dem
Gerichtshalter vorfuhren, der an den Wagen kam und von Herzen bedauerte, dass
Fraeulein Therese schon abgefahren sei. Er bot den Reisenden ein Fruehstueck an,
sagte aber zugleich, der Wagen wuerde noch im naechsten Dorfe einzuholen sein. Man
entschloss sich nachzufahren, und der Kutscher saeumte nicht; man hatte schon einige
Doerfer zurueckgelegt und niemand angetroffen. Lydie bestand nun darauf, man solle
umkehren; der Kutscher fuhr zu, als verstuende er es nicht. Endlich verlangte sie es mit
groesster Heftigkeit; Wilhelm rief ihm zu und gab ihm das verabredete Zeichen. Der
Kutscher erwiderte: "Wir haben nicht noetig, denselben Weg zurueckzufahren; ich weiss
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